Politikwissenschaftler: Gabriel nicht Merkels Kabinettsdisziplin unterworfen

Nach Einschätzung des Passauer Politikwissenschaftlers Heinrich Oberreuter ist der SPD-Chef, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nicht der Kabinettsdisziplin von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterworfen.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Was Kabinettsdisziplin ist, bestimmt der Vorsitzende des Koalitionspartners faktisch gemeinsam mit der Kanzlerin", sagte Oberreuter "Handelsblatt-Online". "Käme es zu formalen Infragestellungen oder Disziplinierungsversuchen, wäre im gleichen Augenblick die Koalition am Ende." Kein Partner könne Eigenständigkeit gegen den anderen zelebrieren.

"Auch der kleinere ist nicht politisch untergeordnet." Dessen ungeachtet sieht Oberreuter die SPD in der Regierung klar im Vorteil. "Wo die Bürger am engsten das Alltagsgefühl haben, mit der Politik verbunden zu sein, hat die SPD die Nase vorn", sagte er.

Die Ministerien, die nah an der Lebens- und Zukunftsgestaltung sind, darunter Wirtschaft und Energie, Arbeit und Soziales, Familie, Integration, Umwelt, seien im Wesentlichen an die Sozialdemokraten gegangen. Bildung als Unionsbereich sei hingegen "angesichts der Priorität der Bundesländer nicht gleichgewichtig, eher schon Verkehr und Digitalisierung", fügte der Experte hinzu. Finanzen, Verteidigung und Inneres seien "klassische, angesehene Ministerien", denen auf SPD-Seite das Auswärtige entspreche.

Pluspunkte haben die SPD und ihr Vorsitzender Gabriel aus Sicht Oberreuters auch außerhalb der Regierung gesammelt. Der Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag sei "nach Beteiligung und Ergebnis, also nach Partizipation und Rationalität ein Erfolg gewesen", sagte der Experte. "Das ändert nichts an der Problematik dieses Instruments, die Entscheidung über Regierungsbildung und Stabilität des politischen Systems an die Parteibasis zu geben und damit Partei- und Fraktionsführung aus ihrer Verantwortung zu entlassen", fügte Oberreuter hinzu.

In der Vergangenheit habe man gesehen, dass Regierungsverantwortung durchaus Priorität vor dem Parteiwillen haben müsse, wenn es darauf ankommt. Faktisch sei Gabriel aber "derzeit sehr gestärkt", betonte Oberreuter. Er sagte allerdings auch: "Sollte das Instrument des Entscheids Schule machen, könnte es sich auch einmal gegen ihn wenden, wenn die Basis das will."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 17.12.2013

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