Prognos warnt vor Stromengpässen wegen fehlender Kraftwerkskapazitäten

Knappe Kraftwerkskapazitäten in Deutschland gefährden die Versorgungssicherheit und entwickeln sich zum Risiko für die Energiewende.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Zu diesem Ergebnis kommt eine Prognos-Studie, die dem "Handelsblatt" vorliegt. Der Studie zufolge klafft 2020 eine Lücke von acht Gigawatt an gesicherter Erzeugungskapazität. Acht GW entsprechen der Leistung von acht Großkraftwerken.

Bis 2025 erhöht sich dieser Wert auf 19 GW, bereits 2030 rechnet Prognos mit einer Lücke von 27 GW. Der Bedarf an Strom liegt in Deutschland im Moment des höchsten Verbrauchs bei gut 80 GW ("Spitzenlast"). Die Lücke entsteht, weil alte Anlagen das Ende ihrer Lebensdauer erreichen und keine neuen Kraftwerke gebaut werden. Ursache dafür sind die unsicheren Marktbedingungen.

Weil sich mit fossilen Kraftwerken derzeit oft kein Geld mehr verdienen lässt, könnte sich die Situation nach Einschätzung der Autoren der Prognos-Studie durch die vorzeitige Stilllegung von bestehenden Anlagen noch verschärfen. Der Druck auf Margen und Auslastung konventioneller Kraftwerke erklärt sich so: Der rasant wachsende Anteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen drückt die Preise an der Strombörse. Wenn etwa an sonnigen Tagen zur Mittagszeit der Strom aus Photovoltaikanlagen die Strombörsen flutet, sinkt der Preis dramatisch, der Betrieb eines konventionellen Kraftwerks lohnt sich nicht mehr.

Dennoch sind die fossilen Kraftwerke unverzichtbar. Sie müssen immer als Backup-Kapazität zur Verfügung stehen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit und der niedrigen Börsen-Strompreise würden derzeit keine Investitionsentscheidungen für zusätzliche Kraftwerkskapazitäten getroffen, heißt es in der Studie.

Sie kämen wegen der langen Realisierungsdauer von fünf bis zehn Jahren voraussichtlich auch zu spät, um die drohenden Lücken zu schließen, schreiben die Autoren. "Die Studie zeigt, dass der Standort Deutschland unter den aktuellen Marktbedingungen mittel- bis langfristig auf eine erhebliche Kapazitätslücke bei der Stromversorgung zusteuert", sagte Wolfgang Cieslik, Vorstandsvorsitzender des Vereins der Kohlenimporteure (VDKi). Der Verein hat die Studie in Auftrag gegeben. Die Politik müsse Bedingungen schaffen, die Investitionen in fossile Kraftwerke attraktiv machten und den Weiterbetrieb von Anlagen wirtschaftlich ermöglichten. Die in der Prognos-Studie skizzierte Entwicklung beunruhigt mittlerweile auch Umweltschützer, die gerade Kohlekraftwerke normalerweise sehr kritisch sehen. So hatte etwa der WWF im Oktober eine Studie vorgelegt, die ebenfalls zu dem Schluss kommt, dass viele fossile Kraftwerke in ihrem Bestand gefährdet sind und dringend neue gebaut werden müssten. Der WWF fordert ein neues Marktdesign. Die Autoren der Prognos-Studie regen an, kurzfristig eine "strategische Reserve" einzurichten, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Mittelfristig müssten Kapazitätsmärkte entwickelt werden: Die Betreiber von Kraftwerken würden dann nicht nur mit dem Verkauf von Strom Geld einnehmen; sie würden vielmehr für das Bereithalten von Kraftwerkskapazität bezahlt. Auch die schwarz-gelbe Bundesregierung beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Die politische Debatte über Kapazitätsmärkte steckt allerdings erst in den Anfängen.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 20.11.2012

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