Schily sieht Terroranschläge als "tiefe Zäsur in der Menschheitsgeschichte"

Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat die Terroranschläge vom 11. September 2001 als "tiefe Zäsur in der Menschheitsgeschichte" bezeichnet.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Was am 11. September 2001 geschah, war mit seiner entsetzlichen Brutalität und diabolischen Fantasie eine der schrecklichsten Gewalttaten, die wir kennen. Das bedeutet eine tiefe Zäsur in der Menschheitsgeschichte", sagte Schily der Tageszeitung "Die Welt" (Freitagausgabe). Er hoffe, dass diese Zeit mit dem Tod von Osama bin Laden "nun einen gewissen Schlusspunkt gefunden hat".

Die größten Niederlagen im Kampf gegen den Terror erlebe man immer dann, wenn man die eigenen rechtlichen Grundlagen aufgebe. "Denken Sie nur an die furchtbaren Menschenrechtsverletzungen in Abu Ghraib. Die Bilder der gefolterten Irakis gingen um die Welt. Was für eine moralische Niederlage des Westens! Unsere Trümpfe sind Freiheit, Demokratie, Menschenrechte. Das dürfen wir nie vergessen", sagte Schily. Er würde die Terroranschläge vom 11. September nach wie vor als "Verbrechen klassifizieren".

Allerdings sei man schon auf dem Balkan in die seltsame Situation gekommen, Verbrechensbekämpfung "mit militärischen Mitteln" durchsetzen zu müssen. Zudem äußerte sich Schily kritisch zum Afghanistan-Einsatz. "Wir stecken in Afghanistan in einer Sackgasse und finden keinen Ausweg. Inzwischen verhandeln die USA mit den Taliban. Was uns auch in Widersprüche verwickelt", sagte Schily der "Welt" (Freitagausgabe). Er frage sich, wie man den Eltern eines in Afghanistan gefallenen Soldaten erklären wolle, dass man gerade mit seinen Mördern Tee trinke und Modalitäten bespreche, ob man sie in eine künftige Regierung in Kabul aufnehme? Deutschland sei in Afghanistan über die Jahre in eine sehr schwierige Situation geraten. "War die Gleichsetzung von al-Qaida und den Taliban richtig? Ich sage ganz offen: Meine Zweifel sind gewachsen, ob man Terroristen in dieser Weise bekämpfen kann", sagte Schily. Er sei selbst in den ersten Jahren nach dem Fall des Taliban-Regimes öfter in Afghanistan gewesen und habe die Hoffnung gehabt, es könne sich gut entwickeln. "Doch mit den Jahren haben immer mehr Afghanen die Präsenz der Nato-Truppen als Fremdherrschaft begriffen", sagte Schily. Das verstehe man schon, wenn man Bilder sehe, wie sich paschtunische Stammesälteste mit westlichen Militärvertretern träfen. "Der eine kommt mit Turban und seinem Gewand, der andere in Uniform mit modernsten Waffen im Gepäck", sagte Schily. Er frage sich, wem da die Sympathien gehören. "Die Kriegsführung, die die Amerikaner betrieben haben, war über Jahre leider kontraproduktiv. Wenn dort Dörfer bombardiert wurden, hat man vielleicht ein paar Terroristen getötet - aber gleichzeitig neue produziert", sagte Schily. Er hält die Titelgeschichte des Magazins "Der Spiegel" für überzogen, der behauptet, die frühre rot-grüne Bundesregierung hätte sich den Amerikanern mit dem Angebot militärischen Beistands geradezu aufgedrängt. "Das halte ich für überzogen. Reingedrängelt haben wir uns da nicht. Aber Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte Recht, als er den Amerikanern unsere uneingeschränkte Solidarität verkündete", sagte Schily der Zeitung.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 09.09.2011

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