Sportpolitik-Professor: Debatte über WM-Verlegung nicht zielführend

Jürgen Mittag, Professor für Sportpolitik an der Deutschen Sporthochschule Köln, hält die innerdeutsche Debatte über eine mögliche Boykott-Drohung oder Verlegung der Fußball-WM 2018 in Russland für nicht zielführend.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "So richtig die Beobachtung ist, dass der Sport im Allgemeinen und Sportgroßveranstaltungen im Besonderen nie unpolitisch, sondern angesichts ihrer medialen und öffentlichen Resonanz immer auch Verstärker gesellschaftlicher und politischer Interessen sind, so falsch ist eine einfache Instrumentalisierung des Sports durch die Politik", sagte Mittag "Handelsblatt-Online". "Die weitgehend wirkungslosen Boykotte der Olympischen Spiele 1976 bis 1984 haben gezeigt, dass der Sport kein Austragungsort für Konflikte der internationalen Politik sein kann." Gleichwohl stellten Sportgroßveranstaltungen "eine globale Bühne dar, die auch den Resonanzboden für öffentliche Debatten bilden", sagte Mittag weiter.

"Gefordert ist deswegen eine Politik mit Augenmaß, die längerfristige Entwicklungen, aber auch die Verantwortung der Sportorganisationen berücksichtigt." Jetzt eine Entscheidung über die WM 2018 zu treffen, wäre hingegen verfrüht, fügte der Sport-Professor hinzu. "Gefordert sind aber auch die internationalen Sportorganisationen, die bei ihrer Vergabepolitik stärker als bisher den Blick auch auf die politischen, humanitären und sozialen Bedingungen in den Austragungsstaaten zu richten haben."

In den vergangenen Tagen waren Forderungen nach einem Boykott der Weltmeisterschaft 2018 in Russland laut geworden. Mehrere deutsche Politiker hatten eine Verlegung des Turniers nach Deutschland ins Gespräch gebracht. Mittag wies darauf hin, dass solche Vorstöße, aber auch Überlegungen zu einem Boykott von Sportereignissen in den vergangenen Jahren "geradezu reflexartig erfolgt" seien, wenn ein internationales Sportgroßereignis in einem politischen Konfliktherd angestanden habe.

"Dies ist im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass die großen internationalen Sportorganisationen wie Fifa oder IOC Sportgroßveranstaltungen vorzugsweise an wirtschaftlich dynamische Wachstumsmärkte vergeben, die politisch jedoch nicht in vollem Umfang den demokratischen und rechtsstaatlichen Maßstäben des Westens entsprechen", erläuterte der Wissenschaftler.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 24.07.2014

Zur Startseite