Staatsrechtler kritisiert geplante V-Leute-Regelung

Der Freiburger Staatsrechtler Ralf Poscher hat die im neuen Verfassungsschutzgesetz von Bundesinnenminister Thomas de Maizière geplanten Sonderrechte für V-Leute und verdeckte Ermittler kritisiert.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Derzeit lese sich das Gesetz "wie eine Blankobefugnis für die Begehung jeglicher Straftat, die sich nicht gegen Leib und Leben, Freiheit oder Eigentum richtet", so Poscher im Interview mit dem "Spiegel". "Das könnten etwa die Falschaussage, der Meineid, die Beweisunterdrückung oder der Waffenhandel sein. Wenn V-Leute in Zukunft gesetzlich legitimiert lügen dürfen, wäre das die falsche Schlussfolgerung aus dem NSU-Skandal."

Die Aufarbeitung des Skandals habe gezeigt, wie V-Leute die Wahrheitssuche verhinderten. "Würde das so Gesetz, wird die Kontrolle der Geheimdienste sogar noch erschwert." Eine klare Regelung zur Anwerbung von V-Leuten gebe es nicht.

"Es sollen künftig zwar "grundsätzlich" keine verurteilten Straftäter mehr genommen werden, das heißt aber, in Ausnahmefällen geht es eben doch. Und was eine Ausnahme ist, das entscheiden die Dienste selbst." Er glaube allerdings nicht, dass das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hätte, so Poscher weiter.

"Einige Regelungen gehen einfach zu weit. Karlsruhe hat in einem Urteil zur Antiterrordatei sehr deutlich gemacht, dass gerade geheimdienstliche Befugnisse gesetzlich besonders präzise geregelt werden müssen, weil in diesem Bereich ohnehin nur eingeschränkte Kontrollmechanismen greifen." Im Gesetz sei jedoch keine Stärkung der parlamentarischen Aufsicht vorgesehen, während gleichzeitig geplant sei, die Geheimdienste personell aufzustocken.

"Das ohnehin schon bestehende Missverhältnis wird also noch ausgeprägter – und das trotz der fragwürdigen Praktiken des Verfassungsschutzes, die während der NSU-Aufarbeitung zutage getreten sind."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 24.04.2015

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