Staatsrechtler und AfD-Chef Lucke stellen Fünf-Prozent-Klausel infrage

Nach der Aufhebung der Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl durch das Bundesverfassungsgericht sollte aus Sicht des Leipziger Staatsrechtlers Christoph Degenhart und des Chefs der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, auch die Fünf-Prozent-Klausel für die Bundestagswahl fallen.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Sperrklauseln wie die Fünf-Prozent-Hürde bei den Wahlen beschränkten die Gleichheit der Wahl. "Dies ist keineswegs ein vager Begriff, sondern ist auf das jeweilige Wahlsystem zu beziehen und bedeutet in einem System der personalisierten Verhältniswahl die Erfolgswertgleichheit der Stimmen", sagte Degenhart "Handelsblatt-Online". Als Einschränkung der Wahlrechtsgleichheit müssten derartige Sperrklauseln jedoch durch "zwingende Gründe" gerechtfertigt sein.

Genannt würden hier die "Funktionsfähigkeit" des Parlaments und das Entstehen regierungsfähiger Mehrheiten. "Unsere parlamentarische Demokratie ist aber jetzt so gefestigt, dass so weitgehende Einschränkungen nicht mehr erforderlich sind, zumal dann die Chancengleichheit kleinerer Parteien unverhältnismäßig beeinträchtigt wird", sagte Degenhart. Hinzu komme, dass die Sperrklausel mittlerweile die Bildung Großer Koalitionen zu begünstigen scheine.

"Das aber ist nicht im Interesse der parlamentarischen Demokratie." Eine deutliche Absenkung, etwa auf drei Prozent, erscheine ihm daher "unerlässlich". Dies sollte aber weiterhin im Bundeswahlgesetz geregelt werden.

"Fatal wäre es jedoch, wenn die Große Koalition ihre verfassungsändernde Mehrheit dazu benutzen wollte, die derzeitige Fünf-Prozent-Klausel im Grundgesetz festzuschreiben." Wie Degenhart hält auch AfD-Chef Lucke die derzeitige Bundestags-Sperrklausel für nicht mehr zeitgemäß. "Die Fünf-Prozent-Hürde ist demokratisch fragwürdig, weil durch sie im Prinzip einer beliebig großen Zahl von Wählern die Teilnahme an der demokratischen Willensbildung verwehrt werden könnte", sagte Lucke "Handelsblatt-Online".

Bei der letzten Bundestagswahl seien es immerhin 15 Prozent der Wähler gewesen, die nicht parlamentarisch vertreten werden. Und je mehr kleine Parteien es gebe, desto höher könne der Prozentsatz der Wähler ausfallen, die, dasselbe Los teilen. Deshalb müsse die Hürde auf ihre Berechtigung hin überprüft werden. "Man könnte die Hürde entweder absenken oder grundsätzlich anders gestalten", sagte der AfD-Chef. Lucke schlug vor, eine Sperrklausel so zu formulieren, dass höchstens fünf Prozent der Wählerstimmen bei der Sitzvergabe unberücksichtigt blieben. "Alternativ könnte man die Sperrklausel auf die Ergebnisse in den Bundesländern anwenden, denn immerhin findet die Bundestagswahl ja über Landeslisten statt", fügte er hinzu. Die AfD habe beispielsweise in etlichen Bundesländern, darunter in vier ostdeutschen, mehr als fünf Prozent der Zweitstimmen erzielt. "Ist es dann demokratisch, dass die Wähler in diesen Ländern dennoch nicht im Bundestag vertreten werden", fragte Lucke. Schließlich könne man auch überlegen, für Parteien unterhalb der Sperrklausel stimmrechtslose Abgeordnete vorzusehen. "Dann würden die Wähler zumindest durch das Rede- und Informationsrecht ihrer Abgeordneten eine gewisse Vertretung im Parlament erfahren."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 10.03.2014

Zur Startseite