Stasi-Beauftragte Birthler: Interesse an Stasi-Unterlagen unvermindert groß

Auch mehr als 20 Jahre nach der Deutschen Einheit ist das Interesse der Bürger an Einsicht in ihre Stasi-Unterlage unvermindert groß.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Im vergangenen Jahr hätten 87.514 Bürger einen Antrag zur Einsicht gestellt, sagte die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler in einem Interview mit "Bild am Sonntag". Weit mehr als die Hälfte davon seien Erstanträge gewesen. Birthler: "Viele brauchen offenbar den Abstand von 20 Jahren, um den Mut aufzubringen, in ihre Akte zu schauen."

Im Jahr 2009 - dem 20. Jahrestag der Wende lag die Zahl mit 102.658 Anträgen noch höher. Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin sieht die Zahlen als Beleg, dass die Aufarbeitung der SED-Diktatur noch lange nicht abgeschlossen ist: "Wir haben uns gründlich verschätzt, als wir 1990 dachten, dass das Interesse an den Stasi-Akten nach 10, 15 Jahre gestillt ist." Birthler hält deshalb die Aufgabe der Stasi-Unterlagen-Behörde noch lange nicht für erledigt: "So lange die Nachfrage nach den Akten so groß ist, braucht es uns als eigene Institution. Wir geben aber nicht nur Akten raus, wir haben auch einen Forschungs- und Bildungsauftrag. Dass der noch lange nicht erfüllt ist, können sie an jeder Umfrage über die DDR sehen." Birthler warnte davor, den Zugang zu den Akten künftig zu erschweren.

"Die Stasi war ein zentralistischer Apparat, deshalb gehören die Akten in eine Hand und dürfen nicht auf Bundes- und Landesarchive verteilt werden. Außerdem ist nicht sicher, ob der Aktenzugang erhalten bleibt, wenn für die Stasi-Unterlagen das allgemeine Archivrecht gilt." Dass ihr designierter Nachfolger Reinhard Jahn der letzte Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen sein werde, glaubt Birthler nicht: "Als ich vor zehn Jahren Bundesbeauftragte wurde, gab es dieselben Thesen."

Birthler, die im März ihr Amt aufgeben wird, zieht eine positive Bilanz der Arbeit der Behörde: "Durch die Überprüfung von Mandatsträgern konnte viel aufgedeckt werden. Es ist gut, dass jemand, der seine Mitmenschen verraten hat, nicht ohne weiteres Schuldirektor werden oder in Parlamenten sitzen kann."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 09.01.2011

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