Steuerexperte: Bund muss weniger Schulden machen

Alfred Boss, Steuerexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), hält die Finanzplanung der Bundesregierung für zu pessimistisch.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Die Bundesregierung plant mit 32 Milliarden Euro Neuverschuldung in diesem Jahr. Das ist in meinen Augen überhöht, da stecken noch viele Reserven drin", sagte Boss gegenüber der "Welt". Der Steuerexperte verweist vor allem auf die niedrigen Zinsen und die günstige Arbeitsmarktlage.

Er hat berechnet, dass der Bund in diesem Jahr nur rund 18,3 Milliarden Euro neue Schulden machen dürfte. Sowohl in der Planung der Bundesregierung als auch in der Prognose von Boss sind die Einzahlungen Deutschlands in den permanenten Rettungsschirm ESM enthalten. "Die Einzahlungen in den Europäischen Rettungsmechanismus ESM werden die Verschuldung sprunghaft erhöhen", sagte Boss.

In diesem Jahr wird die Bundesregierung gleich zwei der insgesamt fünf Tranchen à 4,34 Milliarden Euro einzahlen; dafür werden in diesem Jahr zusätzliche 8,68 Milliarden Euro fällig. Die Finanzlage der Gemeinden beurteilt Boss ebenfalls optimistisch. Er rechnet damit, dass die Einnahmen und Ausgaben von Städten und Kommunen sich in diesem Jahr die Waage halten werden, nachdem die Gemeinden im vergangenen Jahr ein Defizit von 1,4 Milliarden verbuchen mussten.

Für 2013 erwartet Boss sogar insgesamt einen Überschuss von einer Milliarden Euro. "Die Konjunktur spielt dabei eine große Rolle, vor allem wegen der Gewerbesteuer", sagte Boss der "Welt". Die Gemeinden profitierten außerdem davon, dass der Bund sie bei den Sozialausgaben entlaste.

Am Sonntag hatten Bundesregierung und Ländervertreter sich auf weitere Entlastungen der Länder geeinigt; sie waren Bedingung dafür, dass die Länder dem Fiskalpakt im Bundesrat zustimmen. In den Ländern erwartet Boss, der als einer der renommiertesten Experten für öffentliche Finanzen hierzulande gilt, nach einem Defizit von 11,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auch in diesem Jahr eine Neuverschuldung von 11 Milliarden Euro. In 2012 soll die Neuverschuldung der Länder nur leicht auf 10 Milliarden sinken.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 26.06.2012

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