Stoltenberg will Attentäter Breivik nicht im Gefängnis besuchen

Der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg will den Attentäter Anders Behring Breivik nicht im Gefängnis besuchen und weiß noch nicht, ob er ihm vergeben wird.

Oslo (dts Nachrichtenagentur) - "Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, ihn zu sehen. Ich gebe ihm nicht mehr Aufmerksamkeit, als ich muss", sagte Stoltenberg der "Bild am Sonntag". Sein Wunsch sei es, Breivik dem norwegischen Justizsystem zu überlassen.

"Das System wird dafür sorgen, dass er zur Verantwortung gezogen wird und wir vor ihm sicher sind", so der norwegische Ministerpräsident weiter. Ob er Breivik eines Tages vergeben könne so wie einst Papst Johannes Paul II. seinem Attentäter Ali Agca, vermochte Stoltenberg noch nicht zu sagen: "Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich werde ihn immer dafür verantwortlich machen, dass viele Menschen ihr Leben verloren haben, dass viele Menschen für den Rest ihres Lebens leiden. Ich werde ihm das niemals vergessen. Auf der anderen Seite habe ich keinen persönlichen Wunsch nach Rache oder Hass. Er ist einfach eine Person, zu der ich größtmögliche Distanz haben möchte."

Stoltenberg räumte ein, dass die Anschläge auch ihn persönlich verändert hätten: "Das Attentat ist Teil meiner Identität geworden. Ich schätze demokratische Werte heute mehr als früher - die Redefreiheit, die Freiheit ein aktiver Politiker sein zu können. Das alles schien selbstverständlich in Norwegen, aber diese Werte sind am 22. Juli angegriffen worden."

Seine tägliche Routine habe er jedoch nicht verändert, so Stoltenberg. "Ich gehe zum Beispiel immer noch zu Fuß ins Büro. Aber: Wann immer mich Selbstmitleid überkommt, rufe ich mir ins Gedächtnis: Meine Sorgen sind sehr klein, sie sind nichts im Vergleich zu denen der Opfer." Zugleich verteidigte Stoltenberg das psychiatrische Rechtsgutachten, das den Massenmörder Anders Behring Breivik für unzurechnungsfähig erklärt hatte, in "Bild am Sonntag" gegen Kritik: "Die beste Antwort auf die Taten vom 22. Juli ist es, für die demokratischen Werte einzustehen. Und einer dieser fundamentalen Werte ist das Rechtsstaatsprinzip. Wenn unabhängiger Richter am Ende entscheiden, ihn für unzurechnungsfähig zu erklären, haben wir das zu akzeptieren." Er verstehe jedoch, dass dies für einige Angehörige der Opfer sehr schwer wäre. Angesichts der rechtsextremistischen Mordanschläge in Deutschland verwies Stoltenberg auf dem Umgang der norwegischen Bevölkerung mit den Anschlägen von Oslo und Utoya. Stoltenberg: "Ich will Deutschland keine Ratschläge erteilen, aber ich kann über unsere Erfahrungen berichten. Vom norwegischen Volk ist eine starke Botschaft ausgegangen. Wir haben uns von dieser terroristischen Attacke nicht einschüchtern lassen. Die beste Antwort auf diese Grausamkeit war mehr Liebe und Zuwendung unter den Norwegern. Die beste Antwort auf diese Unmenschlichkeit war mehr Menschlichkeit. Und so ist aus all dem Bösen etwas Gutes entstanden." Die Ereignisse in Deutschland seien aber mit den Anschlägen vom 22. Juli nicht vergleichbar. Entsprechend werde man anders mit ihnen umgehen müssen.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 03.12.2011

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