Streit um Veröffentlichung der EZB-Sitzungsprotokolle

Dass die Europäische Zentralbank (EZB) bald dem Vorbild von US-Notenbank Fed und der Bank von England folgen und ebenfalls die Sitzungsprotokolle veröffentlichen könnte, stößt bei Experten auf ein geteiltes Echo.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Wie das "Handelsblatt" berichtet, gebe es Streit um die Veröffentlichung. Transparenz sei sicherlich ein hohes Gut und könne das Vertrauen in Institutionen stärken. "Allerdings muss man bedenken, dass Diskussionen nicht mehr offen geführt werden können, wenn die Mitglieder der EZB wissen, dass alles, was sie sagen, ihnen später namentlich zugeordnet werden kann", sagte der Direktor des Instituts für Bankwirtschaft und Bankrecht an der Universität Köln, Thomas Hartmann-Wendels.

Insbesondere für diejenigen, die eine "unpopuläre" Minderheitsmeinung verträten, wie etwa der Präsident der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann, werde der Druck "enorm groß" werden, gab der Bankenexperte zu bedenken. "Seine kritische Haltung zur EZB-Politik ist ohnehin bekannt, da muss man nicht jede Äußerung von ihm auch noch öffentlich nachlesen können." Wichtiger als die Veröffentlichung der Diskussionsbeiträge sei vielmehr, dass die EZB die Grundregeln ihres Handelns offenlege und auch danach konsequent handle, anstatt ihr Aufgabengebiet ständig zu erweitern, etwa was Staatsfinanzierung und Bankenaufsicht betrifft.

Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, begrüßte die neue Offenheit der Zentralbank. Bei fast allen Entscheidungen des EZB-Rats spielten "handfeste nationale Interessen eine große Rolle", sagte Krämer "Handelsblatt-Online". "Die Bürger haben ein Anrecht darauf zu erfahren, wie die für sie sehr wichtigen Entscheidungen der EZB zustande kommen."

Krämer wies in diesem Zusammenhang darauf hin, wie sich die Aufgaben der EZB inzwischen verändert haben. "Anders als ursprünglich geplant betreibt die EZB mittlerweile nicht mehr nur reine Geldpolitik", sagte er. Vielmehr habe sie mit dem unbegrenzten Anleihekaufprogramm "Outright Monetary Transactions" (OMT) "faktisch Funktionen der Finanzminister übernommen, die sich vor Parlamenten rechtfertigen müssen".

Außerdem könne die EZB mit Notkrediten (ELA, Emergency Liquidity Assistance) die Bankensysteme einzelner Krisenländer am Leben erhalten, was im Fall Zyperns auch geschah.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 29.07.2013

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