Stress am Arbeitsplatz: BDA will auf Gewerkschaften zugehen

Bei der Bekämpfung von Stress am Arbeitsplatz wollen die Arbeitgeber nach eigenen Angaben einen Schritt auf die Gewerkschaften zugehen: Kurz vor einem Treffen, an dem das Bundesarbeitsministerium mit hochrangigen Gewerkschafts- und Arbeitgebervertretern erstmals gemeinsam nach Rezepten gegen den Stress am Arbeitsplatz fahnden will, räumt der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, ein, dass auch Arbeit psychischen Stress verursachen kann.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Obwohl sie nie die alleinige Ursache sei, könne natürlich auch die Berufstätigkeit "eine Rolle bei der Entstehung psychischer Erkrankungen spielen", sagte Hundt der "Welt am Sonntag". Bisher hatten die Arbeitgeber vehement abgestritten, dass derlei Erkrankungen auch ein durch Arbeit verursachtes Problem sein könnte. Entscheidend sei vielmehr die persönliche Disposition und das Lebensumfeld der Betroffenen, lautete ihre Argumentation.

Am kommenden Dienstag wollen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die BDA auf der vom Arbeitsministerium organisierten Veranstaltung "Psychische Gesundheit - wir machen es zum Thema" eine gemeinsame Erklärung unterschreiben. Auch DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach erwartet im Vorfeld der Veranstaltung, dass es eine Annäherung geben wird: "Es ist gut, dass die Arbeitgeberverbände inzwischen davon ausgehen, dass es große Defizite in den meisten Unternehmen gibt", sagte Buntenbach der "Welt am Sonntag". Der Psychostress am Arbeitsplatz habe de facto ein unerträgliches Ausmaß angenommen.

"Das Problem ist, dass sich die meisten Arbeitgeber nicht an Recht und Gesetz halten, wenn es um den Schutz der Beschäftigten geht", sagt DGB-Vorstandsmitglied Buntenbach. Die gesetzlich vorgeschriebene Analyse von gesundheitlichen Gefährdungen am Arbeitsplatz werde nur bei 28 Prozent der Betriebe durchgeführt. Psychische Belastungen würden dagegen nur bei kümmerlichen neun Prozent der Betriebe berücksichtigt.

Auch Hans-Joachim Wolff, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), sieht die Arbeitgeber in der Pflicht: Die Gründe für psychische Fehlbelastungen am Arbeitsplatz seien zwar vielfältig, betont Wolff gegenüber der "Welt am Sonntag". Einen zentralen Einfluss habe aber auch das Verhalten der Führungskräfte. Wichtig sei daher, "für jeden Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, die auch die psychischen Belastungen mit einschließt".

Schon heute habe die DGUV dabei einen Katalog von Leitlinien in petto, an denen sich Unternehmen orientieren könnten. Die Arbeitgeber sehen den Handlungsbedarf jedoch vor allem an anderer Stelle: Der Erfolg einer psychotherapeutischen Behandlung hänge wesentlich von der frühen Erkennung und richtigen Einordnung ab, moniert Arbeitgeberchef Hundt. Deshalb sei der Zustand "unhaltbar, dass Betroffene im Schnitt drei Monate auf das Erstgespräch für eine psychotherapeutische Behandlung warten" müssten. "Ich erwarte von der Gesundheitspolitik, den Ärztevereinigungen und den Krankenkassen, dass sie diesen Missstand entschlossen beheben", so Hundt.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 27.01.2013

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