Suizid-Forscher hält Nachahmungseffekt bei aktueller Serie von Geisterfahrern für wahrscheinlich

Der Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogramm für Deutschland, Armin Schmidtke, hält einen Nachahmungseffekt bei der aktuellen Serie von Geisterfahrten für wahrscheinlich.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Die zeitliche Abfolge lässt diese Hypothese zu", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Focus". Aus der Suizidforschung sei bekannt, dass innerhalb von zehn Tagen nach einem bekannt gewordenen Suizid die Tat womöglich imitiert werde. "Allein, dass die Möglichkeit öffentlich vermutet wird, stellt im Kopf eines labilen Menschen eine Methode zur Verfügung", sagte Schmidtke.

Vermutlich seien ohnehin weitaus mehr Menschen mit Selbstmordabsichten auf den Straßen unterwegs, als gemeinhin angenommen. Nach einer Studie der Universität Würzburg sterben Menschen, die früher bereits einen Suizidversuch unternommen haben, in der Nachfolge überhäufig bei einem Verkehrsunfall. "Man kann schon annehmen, dass sich darunter unentdeckte Suizide verbergen."

Angesichts der Serie von Geisterfahrer-Unfälle mit 19 Toten sprach sich der Präsident des Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm, für Warnhinweisschilder und zusätzliche Fahrbahnmarkierungen aus. Dadurch könne dem "Problem der Überforderung infolge undurchsichtiger Verkehrsführung und mangelnder Ausleuchtung im engen Kurvenbereich der Einfahrten" abgeholfen werden, sagte der frühere Generalbundesanwalt zu "Focus": Risikofahrer mit einem "Jedermann-Test" auszusondern, hält Nehm "für keine gute Idee". Zu untersuchen wäre, "ob dieses Risikoverhalten nicht in anderen Formen im oder außerhalb des Straßenverkehrs in Erscheinung tritt".

Wäre das nachweisbar, stünde mit der Medizinisch Psychologischen Untersuchung das geeignete Instrumentarium zur Verfügung. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) warnte, gegen Geisterfahrer gebe es kein "Allheilmittel". Der Minister räumte in "Focus" ein, die derzeitige Unfallstatistik lasse keine genauen Erkenntnisse über Geisterfahrer-Unfälle zu.

Der Verkehrssoziologe Alfred Fuhr nannte es einen Skandal, dass es "keine belastbaren Daten zu Falschfahrern" gibt. "Wenn bei Amokläufen an Schulen 19 Menschen ums Leben kämen, hätten wir hier eine riesige Debatte über das Bildungssystem. Wenn aber durch Geisterfahrer binnen eines Monats genauso viele Menschen sterben, wird beschwichtigt und heruntergespielt", sagte Fuhr zu "Focus". Den Opfern und deren Angehörigen gegenüber sei dies "eine Ungeheuerlichkeit".

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 24.11.2012

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