ThyssenKrupp-Chef kritisiert Wirtschaftspolitik der Bundesregierung

ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger hat die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung kritisiert.

Essen (dts Nachrichtenagentur) - "Die Regierung unterstützt uns in Brüssel, aber sie hat in dieser Legislaturperiode nicht genug getan, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu erhöhen", sagte Hiesinger der "Welt am Sonntag" (3. Januar 2016). Man habe eigentlich nur Mehrkosten erzeugt, etwa über die teilweise Reduzierung des Renteneintrittsalters. "Das ist gefährlich. Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir uns in Deutschland nicht zu sicher fühlen." Deutschland habe in den vergangenen Jahren oft etwas abschätzig auf die Arbeitskosten in anderen Ländern geschaut. "Der Trend dort ist aber positiv", sagte Hiesinger.

"Viele Länder haben sich deutlich verbessert, während sich Deutschland ständig verschlechtert. Das gefährdet unseren Wohlstand." Hiesinger fordert daher die Bundesregierung auf, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu stärken.

"Die Rechnung ist ganz einfach: Je mehr Kosten den Unternehmen zugemutet werden, desto größer sind die Risiken, aus dem weltweiten Markt gedrängt zu werden", erklärte der ThysenKrupp-Chef. Er spreche dabei nicht vom Mindestlohn, damit habe die Industrie kein Problem. "Bei uns geht es um Themen wie die Energie- und Klimapolitik, die Rentenpolitik, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und eine überzeugende europäische Digitalstrategie."

ThyssenKrupp macht mittlerweile die Zukunft seiner Stahlsparte direkt von der weiteren Entwicklung bei den politischen Rahmenbedingungen abhängig. "Werden die bisherigen Pläne der EU zur Neuordnung des Emissionsrechtehandels wie vorgesehen umgesetzt, ist Stahl aus Europa nicht mehr wettbewerbsfähig. Das muss man so deutlich sagen", stellte Hiesinger klar. Allein ThyssenKrupp sehe sich in der Zeit von 2021 bis 2030 einer Mehrbelastung von mehr als zwei Milliarden Euro gegenüber. Gleichzeitig drohen weitere Zusatzkosten durch die Novellierung des EEG-Gesetzes. "In der Summe sind das Mehrbelastungen, die wir schlichtweg nicht stemmen können. Da helfen auch weitere Einsparungen oder Umstrukturierungen nicht mehr. Für ThyssenKrupp wäre die Stahlproduktion dann nicht mehr möglich." Noch allerdings hofft Hiesinger auf eine politische Lösung - "weil es auch aus Sicht des Klimaschutzes die falsche Entscheidung wäre, die Stahlindustrie in Europa zugunsten anderer Hersteller mit dramatisch schlechterer Klimabilanz aus dem Markt zu drängen". Gemeint ist damit Importstahl aus China, der aktuell wegen der Konjunkturkrise in der Volksrepublik in großen Mengen in alle Welt exportiert wird. Der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro Tonne Stahl in China sei um 500 Kilogramm höher als in Europa. "Wenn wir also am Ende des Jahres 30 Millionen Tonnen Importstahl haben, dann holen wir damit zusätzliche 15 Millionen Tonnen CO2 nach Europa. Das ist mehr als wir in den letzten Jahren an Emissionen reduziert haben. Aus der weltweiten Klimaperspektive wird damit genau das Gegenteil von dem erreicht, was das Ziel ist", sagte Hiesinger. "Wir sind nicht gegen Klimaschutz. Wir fordern nur gleiche Wettbewerbsbedingungen. Und wenn die von chinesischer Seite nicht geschaffen werden, müssen wir in Europa reagieren, zum Beispiel mit Mindestpreisen."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 03.01.2016

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