Ukraine-Krise löst Debatte über europäische Sicherheitsarchitektur aus

Unter Sicherheitsexperten ist eine Diskussion darüber entbrannt, welche Konsequenzen der Westen aus dem Ukraine-Russland-Konflikt ziehen sollte: "Die derzeitige Krise zeigt, dass jegliche europäische Sicherheitsarchitektur nichts wert ist, wenn ein Staat wie Russland sich entschließt, die dieser Architektur zugrunde liegenden Ordnungsprinzipien Gewaltverbot, Verzicht auf gewaltsame Veränderungen von Grenzen nicht zu beachten", sagte der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK), Joachim Krause, "Handelsblatt-Online".

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Für einen solchen Fall bedürfe es einer entschiedenen Politik der westlichen Staatengemeinschaft. "Europa braucht eine stärkere Sicherheitsarchitektur, ob nun neu oder in Ausbau der OSZE", sagte dagegen der Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, Michael Brzoska, "Handelsblatt-Online". Diese könne auf vereinbarten Grundlagen aufbauen.

Dazu zählten Gewaltverzicht in den internationalen Beziehungen, Bekenntnis zu friedlicher Streitbeilegung, Beachtung der Menschenrechte, aber auch gleichberechtigte Berücksichtigung berechtigter Sicherheitsinteressen aller Staaten. Brzoska räumte jedoch ein, dass die Umsetzung dieser Grundsätze zu "Dilemmata und Konflikten" führe. So stünden etwa die Sicherheitsinteressen Russlands gegen die Sicherheitsinteressen osteuropäischer Staaten.

"Die aktuelle Krise macht aber überdeutlich, wie notwendig es ist nach gemeinsamen Lösungen zu suchen und über Instrumente zu deren Umsetzung zu verfügen." Carlo Masala, Professor für internationale Politik an der Bundeswehr-Universität München sieht keine Notwendigkeit für eine neue Sicherheitsarchitektur. Aus seiner Sicht würde es durchaus reichen, die bestehenden Instrumente zu nutzen.

"Warum ist der Nato-Russland-Rat ausgesetzt worden, anstatt ihn einzuberufen? Wozu gründet man solche Foren, wenn man sie in Krisenzeiten nicht nutzt", fragte der Masala. Ein Grund könnte sein, dass der Westen in der Ukraine-Russland-Frage gespalten agiert. Deshalb gebe es nur "lauwarme Reaktionen" gegenüber Russland.

"Letzten Endes ist es doch so, dass keiner einen möglichen militärischen Konflikt mit Russland wagen will, weil dies unmittelbar die Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung nach sich ziehen könnte", ist der Experte überzeugt. Und daran habe keiner ein Interesse. Auch Gunther Hellmann, Professor für internationale Politik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt, sieht in einer neuen Strategie der Abschreckung keine Lösung für Konflikte wie die Ukraine-Krise. "Sicherheitsarchitekturen kann man sich nicht kurzfristig schnitzen", sagte Hellmann "Handelsblatt-Online". "Sofern diese Metapher Sinn macht, verweist sie auf institutionelle Lösungen, die auf wichtige zwischenstaatliche Konfliktkonstellationen reagieren und gegebenenfalls präventiv dabei mithelfen können gewaltsame Eskalationen zu vermeiden." Derzeit seien jedoch "Eskalationen gewollt, da hilft die beste Sicherheitsarchitektur nichts".

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 08.05.2014

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