Verein beklagt Untätigkeit gegenüber Opfern des DDR-Zwangsdopings

Die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins (DOH), Ines Geipel, wirft deutschen Politikern und Sportfunktionären Untätigkeit gegenüber den Opfern des DDR-Zwangsdopings vor: "Wenn es um die Doping-Geschichte und um die Opfer in Ost und West geht, verfällt der Sport, aber auch die Politik in einen komatösen Zustand. Außer ein paar warmen Worten kommt von beiden nicht viel", sagte die frühere Weltklassesprinterin, die in der DDR selbst gedopt wurde, in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (Wochenendausgabe). Dabei geht es laut Geipel um das Schicksal von immer mehr ehemaligen Leistungssportlern: Bisher hätten sich beim DOH "700 Betroffene gemeldet, die Schäden durch Doping anzeigen", berichtet Geipel. Besonders häufig seien "Diabetes, kaputte Organe und Rücken, offene Venen".

Bei Athletinnen gehe es um "entfernte Eierstöcke, Fehlgeburten, behinderte Kinder". Auch die Zahl an Psychosen, Depressionen, Suchterkrankungen und Tumoren sei hoch. Nach Geipels Schätzungen gibt es insgesamt 2.000 frühere Sportler mit irreversiblen Schäden durch die Einnahme beziehungsweise die Verabreichung von Dopingmitteln.

Der DOH und Geipel fordern eine politische Rente als symbolische Anerkennung des Geschehens im DDR-Sport, einen "Akutfonds", um Betroffenen in Notlagen schnell helfen zu können, sowie ein medizinisches Zentrum für die Dopingopfer, in dem sich spezialisierte Ärzte um sie kümmern. Eine Einigung aus dem Jahr 2006, als 194 ehemalige Athleten als Dopingopfer anerkannt und mit je knapp 10.000 Euro entschädigt wurden, reicht laut Geipel keinesfalls aus. Sie machte aber auch klar, dass nicht nur das Sportsystem der DDR Dopingschäden verursacht habe, sondern das Problem auch die Gegenwart betreffe: "Wir können durch die Arbeit unserer Beratungsstelle dokumentieren, dass das Doping-Problem eben nicht pünktlich 1989/90 aufgehört hat, wie es zum Selbstverständnis von Sport und Politik gehört. Inzwischen melden sich Athleten bei uns, die bis 2004 aktiv waren", sagte sie der SZ. Dabei handele es sich um deutsche Kaderathleten, die die Dopingmittel von ihren Trainern bekommen hätten. Geipel verweist auch darauf, dass dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) diese Vorgänge bekannt seien. Allerdings gebe es auch hierauf keine angemessene Reaktion vom Sport-Dachverband.

Stattdessen werde weiter das Märchen vom sauberen gesamtdeutschen Sport erzählt. "Es ist völlig gaga, wie wir die Realität wegdrücken", sagte sie. Eine deutsche Olympia-Bewerbung lehnt Geipel ab, solange man nicht bereit sei, aus der Vergangenheit die richtigen Lehren zu ziehen. "Wer jetzt Olympische Spiele forciert und Deutschlands Sportsystem entsprechend optimiert und auf Medaillen trimmt, ohne dass er mit den schweren Hypotheken ernsthaft umgegangen ist - der ist ganz klar für systematischen Betrug", wirft Geipel Politikern und Sportfunktionären vor.

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 21.02.2015

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