Vor Syrien-Schlag: Ex-Generalinspekteur fordert Umdenken zu Militärinterventionen

Kurz vor einem erwarteten Luftschlag der USA gegen Syrien fordert der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, ein Umdenken Deutschlands in der Frage von Militärinterventionen ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - "Als Bürger bin ich der Auffassung, dass wir der Schutzverantwortung mehr Gewicht geben sollten als einem sich selbst blockierenden Sicherheitsrat", sagt Naumann der Zeitung "Die Welt". Er fügte hinzu: "Ich war nie ein Freund rascher militärischer Interventionen, aber manchmal sind sie unvermeidlich, eben das äußerste Mittel der Politik. Wenn wir Deutschen uns nicht zu dieser Einsicht aufraffen, dann wird Europa sicherheitspolitisch nie eine Rolle spielen."

Das UN-Prinzip der Schutzverantwortung fordert die aktive Verteidigung der Menschenrechte in Staaten, deren Regierungen dazu nicht willens oder in der Lage sind. Der allgemein erwartete Luftschlag der USA gegen das Assad-Regime als Strafaktion für den Giftgasangriff auf Zivilisten könne auch ohne Zustimmung des höchsten UN-Gremiums als legitim betrachtet werden. Russland blockiere im Sicherheitsrat ein Mandat.

Ein Eingreifen zugunsten der Menschenrechte müsse aber dennoch möglich sein. Die abwartende Haltung der Bundesregierung zu der Strafaktion kritisierte Naumann nicht direkt: "Die Bundesregierung hat ja erklärt, ein Einsatz von Giftgas dürfe `nicht ohne Konsequenzen` bleiben", sagte Naumann und fügte hinzu: "Welche Konsequenzen sie selbst bereit zu ziehen ist, kann ich nicht für sie formulieren, die politische Unterstützung eines solchen Einsatzes wäre auch schon eine." Eine Beteiligung der Bundeswehr an der Strafaktion gegen Syrien stehe aber wegen mangelnder Kapazitäten nicht zur Debatte.

Auch wäre eine Zustimmung des Bundestages nicht zu erwarten, so Naumann, der zur Zeit des Kosovo-Krieges 1998 Vorsitzender des Nato-Militärausschusses war. Als Ursache für die zögerliche Haltung Deutschlands zu Interventionen sieht Naumann mangelnde Einsicht in die Notwendigkeit, international sicherheitspolitische Verantwortung zu übernehmen: "Unsere Bevölkerung ist mehrheitlich der Ansicht, dass wir uns aus den Händeln der Welt heraushalten sollten und dass deren Folgen uns auch nicht betreffen werden, solange wir Abstand halten. Aber das ist nicht realistisch. Dafür sind wir zu groß und international zu stark verflochten", sagte Naumann der "Welt". Nicht alle Probleme seien mit friedlichen Mitteln zu lösen. "Es gibt nun einmal eine große Anzahl von Staaten, die mit rücksichtslosen und gewalttätigen Mitteln Machtpolitik betreiben", so Naumann. "In Jugoslawien habe ich das erlebt. Ich habe 26 Stunden mit diesem Schurken Milosevic um Frieden gerungen, und es gab nur eine Sprache, die er verstand. Und die haben wir am Ende auch angewendet."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 29.08.2013

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