Wahlen in Frankreich und Griechenland lösen unter Top-Ökonomen Besorgnis aus

Führende Ökonomen in Deutschland schließen angesichts des Wahlausgangs in Frankreich und Griechenland Rückschläge für die Euro-Rettung nicht aus.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Die Wahlen zeigten, dass sich im Euro-Raum eine Spar- und Reformmüdigkeit breitmache, obwohl die Staatsschuldenkrise noch lange nicht gelöst sei, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer "Handelsblatt-Online". Für Bundeskanzlerin Angela Merkel werde es daher "noch schwieriger, sich mit Frankreich auf eine gemeinsame Linie für eine tragfähige Finanzverfassung des Euro-Raums zu einigen, ohne die die Staatsschuldenkrise nicht zu lösen ist". Das erhöht nach Ansicht Krämers den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), "die Peripherieländer noch lange de facto mit der Notenpresse zu finanzieren".

Dieser Zwang zum Gelddrucken sei für sein Institut auch der Hauptgrund, warum man mittelfristig einen deutlich niedrigeren Euro/US-Dollar-Wechselkurs erwarte. "Der Euro ist heute Nacht zu recht gefallen", so Krämer. Auch Dekabank-Chefökonom Ulrich Kater hält Marktturbulenzen für möglich.

Er begründete dies damit, dass bei demokratischen Regierungswechseln die neuen Akteure zunächst ihre Wahlkampfaussagen abarbeiten müssten. "Zu Beginn der Zusammenarbeit auf Euro-Ebene kann es daher durchaus zu Irritationen kommen, die die Kapitalmärkte in Schwankungen versetzen", sagte Kater "Handelsblatt-Online". Am Ende müsse jedoch jede neue Regierung den Umständen und Herausforderungen Tribut zollen.

"Unabhängig von neuen Regierungen gäbe es sowieso Handlungsbedarf, wenn sich in den kommenden Monaten herausstellen sollte, dass die südeuropäischen Länder deutlich stärker in die Rezession fallen als bislang erwartet", gab Kater zu bedenken. "Dann wäre auch Nordeuropa so stark betroffen, dass der Konsolidierungskurs gestreckt werden müsste." Dabei sei die fiskalische Konsolidierung aber nicht die einzige Herausforderung.

"Entscheidender sind die begonnenen Liberalisierungen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit", sagte der Dekabank-Ökonom. Hier sei trotz der Diskussionen um einzelne Reformabschnitte bereits einiges passiert. Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, wertet die Wahlausgänge als schwere Niederlage für Merkel. "Die Politik der Bundesregierung erleidet gerade ihren absehbaren ökonomischen und politischen Bankrott", sagte Horn "Handelsblatt-Online". "Ökonomisch, weil Austeritätspolitik zum wirtschaftlichen Absturz führt, politisch weil die hierfür verantwortlichen Regierungen abgewählt werden." Daher sei die Bundesregierung gezwungen, ihren Kurs zu ändern. Der Konjunktur im Euro-Raum werde dies helfen, ist sich Horn sicher." Denn ohne eine starke gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist es unmöglich, die Schuldenlast zu reduzieren und das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen." Widerspruch kommt von Commerzbank-Chefökomon Krämer, der vor allem mit Blick auf die Wahl von Francois Hollande zum neuen französischen Präsidenten keine keine positiven Impulse erwartet. "Ähnlich wie im Wahlkampf dürfte er auch als Präsident die Ursachen der wirtschaftlichen Probleme Frankreichs weitgehend ignorieren", sagte Krämer. Statt die Probleme am Arbeitsmarkt wie Spanien oder Portugal anzugehen, wolle Hollande die Jugendarbeitslosigkeit kaschieren, indem er Jugendlichen subventionierte Stellen anbiete. Mit der geplanten öffentlichen Investitionsbank werde er zudem er die wahren Probleme des französischen Mittelstands nicht lösen. "Vielmehr dürfte er mit dem geplanten Steuersatz von 75 Prozent auf Einkommen über 1 Million Euro zahlreiche talentierte Unternehmer verschrecken", warnte der Commerzbank-Ökonom. Anders als von Hollande unterstellt, dürfte die französische Wirtschaft nach Krämers Einschätzung in den Jahren ab 2014 nicht jährlich um zwei Prozent wachsen. Hollande werde es daher wohl nicht gelingen, den französischen Staatshaushalt bis 2017 auszugleichen. "Unter seiner Präsidentschaft wird Frankreich innerhalb des Euro-Raums wohl weiter absteigen und gen Süden driften", prophezeit Krämer. "Das schwächt den Euro-Raum als Ganzes und bürdet Deutschland im Kampf gegen die Staatsschuldenkrise noch mehr Lasten auf."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 07.05.2012

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