Zeitung: Atomausstieg ist laut zurückgehaltener Studie schneller machbar

Eine vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene, aber monatelang zurückgehaltene Studie kommt zum Schluss, dass sich bis 2020 etwa 40 Prozent des Stroms in Deutschland ohne gravierende Probleme mit Öko-Strom-Kraftwerken erzeugen lassen.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Und das sogar, wenn gleichzeitig die Kernkraftwerke entsprechend des alten Atomausstiegs nach und nach abgeschaltet werden, berichtet die "Frankfurter Rundschau" (Freitagsausgabe). Obwohl die Untersuchung mit dem Titel "Voraussetzungen einer optimalen Integration erneuerbarer Energien in das Stromversorgungssystem" seit Juni 2010 vorliege, wurde sie vom Ministerium erst am 14. Februar auf der Webseite veröffentlicht, ohne dass sie bislang von der Öffentlichkeit überhaupt zur Kenntnis genommen wurde. Beim Ministerium hieß es auf Anfrage der "Frankfurter Rundschau" (Freitagausgabe), die aus informierten Kreisen von der Studie erfuhr, die Untersuchung der Institute Consentec und r2b sei "nach endgültigem Abschluss der internen Auswertung" des Ministeriums ins Netz gestellt worden.

In der Studie wird festgestellt, dass sich die Kosten und der Aufwand für die Energiewende im Rahmen halten, solange der Ausbau der Öko-Energie bis 2020 lediglich rasch, aber nicht blitzartig vonstatten geht. So heißt es in dem Papier, "dass die Auswirkungen eines EE-Anteils von bis zu 40 Prozent für den konventionellen Kraftwerkspark technisch realisierbar und wirtschaftlich vertretbar sind". Auch beim Stromnetz werden die Verwerfungen als gering angesehen.

Während Brüderle derzeit argumentiert, dass 3.600 Kilometer neue Höchstspannungsleitungen nötig seien, veranschlagen die Autoren der Studie bei einem Öko-Strom-Anteil von mehr als 40 Prozent lediglich 250 Kilometer neue Trassen. Selbst ein Anteil von 50 Prozent Öko-Strom ist laut der Studie schon 2020 machbar, allerdings mit massiven Kostensteigerungen. Consentec und r2b schätzen, dass der Preis pro Kilowattstunde für Haushalte bei einem Öko-Strom-Anteil von 25 Prozent von derzeit 19,3 Cent auf 21,8 Cent im Jahr 2020 steigt.

35 Prozent Öko-Strom-Anteil kämen mit 23,3 Cent nur etwas teurer. 50 Prozent Ökostrom allerdings würden eine Preissteigerung auf 27,96 Cent bedeuten. Die Ausbaukosten für Photovoltaik und Netze schlügen dann stark zu Buche.

In einem alternativen Szenario wurde auch die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke untersucht. Zwar wird von den Autoren erwartet, dass die Meiler die Strompreise deutlich senken, wenn sie am Netz bleiben. Durch die Laufzeitverlängerung verzögere sich die Anpassung des Stroms. Bärbel Höhn, die Bundestags-Energieexpertin der Grünen, sagte der "Frankfurter Rundschau": "Unverständlich ist, warum die Studie nicht bereits letzten Sommer publiziert wurde. Wahrscheinlich sollte sie nicht die Position von Minister Brüderle untergraben." Brüderle, so Höhn weiter, leide bei der Energiedebatte häufig an Realitätsverweigerung. "Seit Jahren malt er das Schreckgespenst horrender Preissteigerungen bei einem Ausbau der erneuerbaren Energien an die Wand. Wenn seine eigene Studie das Gegenteil aufzeigt, werden diese Erkenntnisse einfach ignoriert und stumpf die alten Märchen weiter erzählt." Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht sich bestätigt. Die Untersuchung zeige, dass einem schnellen Ausbau der Öko-Energie nichts Wesentliches im Wege stehe. BEE-Geschäftsführer Björn Klusmann sagte der "Frankfurter Rundschau": "Die Studie macht deutlich: Um erfolgreich die Erneuerbaren voranzutreiben, brauchen wir nicht erst einen dramatischen und vielleicht kaum realisierbaren Netzausbau."

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 08.04.2011

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