Zeitung: Nach Bahn-Anschlägen Verdächtiger vernommen und wieder frei gelassen

Nach den Anschlägen gegen die Bahn hat die Polizei einen zunächst Verdächtigen vernommen, ihn jedoch wieder laufen lassen.

Berlin (dts Nachrichtenagentur) - Das berichtet das Nachrichtenmagazin "Focus" unter Berufung auf Ermittlerkreise. Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte "Focus", die Attentate gingen "weit über das hinaus, was wir bislang von Linksextremisten kannten". Die Behauptung der Täter, sie wollten keine Menschen gefährden, halte er für "völlig verlogen. Die Explosion solcher Brandsätze könnte schwerste Unglücksfälle mit vielen Verletzten und Toten auslösen." Zur Dimension der Anschläge sagte Körting der Berliner "Focus"-Ausgabe: "Ich sehe nicht die Gefahr, dass wir an der Schwelle zum organisierten Linksterrorismus stehen." Zugleich warnte er: "Die Gefahr geht eher von radikalisierten Einzeltätern aus, die verheerende Anschläge mit vielen Opfern verüben könnten."

Auf die Frage, ob sich damit für die Polizei ein ähnliches Problem ergebe wie bei selbst radikalisierten Einzeltätern im Bereich des islamistischen Terrors, antwortete Körting: "Im weitesten Sinne: ja." Linksextremistische Gewalt trete "viel dezentraler auf als noch vor zwei oder fünf Jahren". Einzeltäter oder Kleinstgruppen handelten nicht mehr "im Auftrag oder mit dem Segen einer Organisation" und kommunizierten ihre Pläne nicht.

"Das macht es natürlich für die Ermittlungsbehörden schwer." Auch der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, sieht im Moment nicht die Gefahr eines neuen Linksterrorismus. Dieser würde "auch gezielte Anschläge auf Personen voraussetzen", sagte er.

Das gelte in der linken Szene jedoch "nach wie vor als nicht vermittelbar". Besorgt äußerte sich Ziercke über die Serie von Brandanschlägen auf Autos in Großstädten. Allein in Berlin gingen dieses Jahr mehr als 630 Autos in Flammen auf, in Hamburg knapp 500. Ziercke sieht in den Angriffen auf fremdes Eigentum ein "ernstes Problem" und verwies auf gravierende Folgen: "Durch die Brandlegungen wird die soziale Ordnung erheblich gestört, die Menschen werden massiv verunsichert." Das BKA verfolgt laut "Focus" im Kampf gegen die Auto-Brandstifter eine neue Strategie. Bislang beschäftigte sich die Polizei­behörde ausschließlich mit Brandanschlägen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität. Delikte ohne entsprechenden Hintergrund mussten die Bundesländer nicht dem BKA melden. "Auf Grund der aktuellen Entwicklung gibt es konzeptionelle Überlegungen, das Phänomen von Pkw-Bränden insgesamt zu erfassen und zu bewerten", so eine BKA-Sprecherin. Details würden "derzeit in den entsprechenden Bund-Länder-Gremien abgestimmt".

Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 15.10.2011

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